Donnerstag, 23. März 2017

Herne besteht aus mehr als Bergbauruinen und Ruhrpottslang

(Ursprünglich veröffentlicht in Suite101 am 08.05.2013)

 Herne als angebliche Hochburg einer fehlerhaft-schnoddrigen Ruhgebietssprache glänzt auch mit idyllischen, futuristischen und modernen Sehenswürdigkeiten.

In den Medien gilt Herne als schmutzig und seine Einwohner als einfach sowie nahezu ungebildet. Die Komiker Atze Schröder und Jürgen von Manger, besser bekannt als »Tegtmeier«, haben Herne mit dem ihrem ganz eigenem Dialekt der Ruhrgebiet-Kleinbürger einen Stempel aufgedrückt und zugleich national bekannt gemacht.

Wo befindet sich Herne?

Herne ist eine kreisfreie Stadt im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Sie befindet sich mitten im Ruhrgebiet. Genauer gesagt, liegt die von einem Geographen exakt berechnete Mitte des Ruhrgebiets im Herner Ortsteil Röhlinghausen, im Vorgarten des Hauses an der Rolandstraße Nummer 49. Ein unscheinbarer grauer Stein markiert diesen Mittelpunkt des Ruhrgebietes.

Bergbau und Kokereien prägten das Gesicht von Herne

Die Herner Luft war zu Zeiten des Kohlebergbaus und der Kokereien tatsächlich verrußt. Kleidung, die im Garten zum Trocknen aufgehängt wurde, war nicht selten dreckiger als vorher und Atemwegserkrankungen, wie Asthma oder Pseudokrupp, hatten Hochkonjunktur.

Dann schlossen die Herner Bergwerke und nicht nur die Luft wurde sauberer, sondern auch die Stadt veränderte sich.

Großstadt Herne und die erste städteübergreifende U-Bahn der Welt

So ist es erstaunlich, dass Herne jetzt als zweitkleinste Großstadt Deutschlands gilt und über die erste städteübergreifende Untergrundbahnverbindung der Welt verfügt. Sie fährt vom Herner Wasserschloss Strünkede zur Universität Bochum und zurück. Eine weitere U-Bahn-Strecke bietet Herne auch nicht an, dafür aber verschiedene andere, sehr vielseitige Sehenswürdigkeiten.

Kulturelle und geschichtliche Sehenswürdigkeiten in Herne

Wer vom Mittelalter mit den Rittern, den Burgfräulein und den Folterkellern fasziniert ist, findet all das im Herner Renaissance-Wasserschloss Strünkede, dem Wahrzeichen der Stadt. In seinem Kern, einer mittelalterlichen Burg, werden stadt- und kulturgeschichtliche Sammlungen präsentiert und manchmal werden dort auch standesamtliche Trauungen abgehalten.

In dem Schlosspark Strünkede befindet sich eine alte Gründerzeitvilla im Jugendstil, die grafische Sammlungen und Sonderausstellungen zeigt. So kann der kunstinteressierte Besucher dort sogar Arbeiten von Pablo Picasso und Marc Chagall bewundern.

Die ehemalige Schollbrockmühle des Schloss Strünkede aus dem 19. Jahrhundert ist heute zu dem Schollbrockhaus umgebaut worden. In ihren Galerieräumen finden wechselnde Ausstellungen statt. Aus dem ehemaligen Stall ist heute ein gemütliches Besuchercafé geworden.

Herner Archäologiemuseum

Gerne wird das LWL-Museum für Archäologie in Herne auch von weiter entfernt wohnenden Gästen besucht. Dort werden 10.000 Funde aus der westfälischen Geschichte gezeigt, wie Schwimmsaurier, Urzeithamster, die Alchimisten-Küche, Münzschätze und Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg. Den Besucher erwartet eine unterirdische Grabungslandschaft in der Größe von 3000 Quadratmeter. Die wechselnden, aktuellen Ausstellungen umfassen die neuesten Entdeckungen von Archäologen in NRW.

Wanne-Eickel wird „Herne 2“

In den siebziger Jahren wurde die Nachbarstadt Wanne-Eickel als »Herne 2« eingemeindet, so dass Herne ab diesem Zeitpunkt auch über das Heimat- und Naturkunde-Museum im ehemaligen Wanne-Eickel verfügt. Untergebracht in einer ehemaligen Volksschule bietet dieses Museum eine Ausstellung über die wichtigsten geschichtlichen Inhalte dieser Region: Eisenbahn, Bergbau, Kanalschifffahrt. So stößt der Besucher dort beispielsweise auf eine komplette Jugendstil-Einrichtung einer Drogerie von 1905, einer künstlerisch gestalteten Bude von 1900 sowie verschiedene historische Straßenbahnen und Loks. Ebenso befindet sich im Obergeschoss eine Naturkundesammlung aus der Ausschachtung des Rhein-Herne-Kanals.

Das Opel-Werk und das Opel-Museum

Ein wichtiger Arbeitgeber auch in Herne ist bis heute der Bochumer Automobilhersteller Opel, der jedoch im Jahre 2015 seine Produktion einstellen wird. Das private Opel-Museum in Herne zeigt verschiedenste Produkte der Marke Opel, wie vierzig Oldtimer, Nähmaschinen, Kühlschränke und Fahrräder.

Das neoklassizistische Rathaus und der Kirchturm im Schuhgeschäft

Das neoklassizistische Rathaus Herne wurde mit einer aufwändigen Fassadengestaltung gebaut. Auch die Gebäude des Behördenviertels um das Rathaus herum entstanden im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts und sind architektonische Meisterwerke.

Ein besonderes Markenzeichen und immer wieder besonders interessant für Fotografen ist der denkmalgeschützte neugotische Turm der Pfarrkirche St. Bonifatius mitten in der Einkaufsstraße. Diese Kirche wurde neu auf einem Nachbargrundstück gebaut, der Turm der alten Kirche blieb jedoch erhalten und ragt aus einem Schuhgeschäft im Erdgeschoss heraus.

Das »Dorf« Teutoburgia und die hochmodern gestaltete Akademie Mont-Cenis

Die gemütliche, gepflegte Siedlung Teutoburgia mit den kreativ gestalteten Vorgärten ist ein beliebtes Ziel der Herner für Sonntagsspaziergänge. Diese ursprüngliche Bergbauarbeiterkolonie wurde liebevoll zur Gartenstadt Teutoburgia restauriert. Da kann man auch schon mal im Vorgarten eine kunstvoll aufgearbeitete Bergbaulore bestaunen.

Für Liebhaber der modernen Technologie bietet Herne eine ganz besondere Delikatesse: die Akademie Mont-Cenis. Auf dem ehemaligen Zechengelände Mont–Cenis wurde ein Gebäude mit der weltweit größten gebäudeintegrierten Solaranlage errichtet. Das Gebäude ist umschlossen von einer gläsernen Klimahülle, die für ein mediterranes Klima, fünf Grad wärmer als die Außentemperatur, sorgt. Diese mediterrane Atmosphäre wird von Wasserspielen, Palmen sowie Brücken im Inneren unterstützt. In der Akademie Mont-Cenis befinden sich Büros, eine Bibliothek, ein Café sowie die Fortbildungsakademie des Landes Nordrhein-Westfalen mit Hotelzimmern.

Diverse Veranstaltungen und das Volksfest: die Cranger Kirmes

Die Cranger Kirmes ist das zweitgrößte Volksfest Deutschlands und ein besonderes Highlight für Herne und Umgebung. Die Kirmes wird ab dem ersten Donnerstag im August für die Dauer von zehn Tagen veranstaltet und endet mit einem großen Feuerwerk.
Herne bietet zudem im Laufe eines Jahres auch eine Vielzahl weiterer Veranstaltungen an, wie das Lichterfest, Wanner Mondnächte oder das Boulevardfest.

Herne zeigt heute ein neues Bild, aber kaum neue Töne

Herne hat nach der Stilllegung der Hochöfen und des Bergbaus nicht nur seine Luftqualität verbessert, sondern auch das Aussehen. Allerdings wird Herne auch weiterhin den Ruf des typischen Ruhrpottslangs behalten, was Hernes Bekanntheitsgrad in Deutschland erhält und nicht ganz zu Unrecht bestehen bleibt. Ein aufmerksamer Zuhörer in den Einkaufsstraßen, Bussen oder U-Bahn-Gängen kann sich heute noch immer häufig an diesem einzigartigen Ruhrgebietsdialekt erfreuen.

Quellen/weitere Informationen:

http://www.lwl-landesmuseum-herne.de/
http://www.herne.de/kommunen/herne/ttw.nsf/id/DE_StaedtischeGalerie
http://de.wikipedia.org/wiki/Heimat-_und_Naturkunde-Museum_Wanne-Eickel
http://de.wikipedia.org/wiki/Herne
http://de.wikipedia.org/wiki/Zeche_Mont_Cenis
http://www.opelmuseum-Herne.de/
http://www.herne.de/kommunen/herne/ttw.nsf/id/DE_7AUHSB_Veranstaltungen?open&l=DE&ccm=050055
http://www.lokalkompass.de/herne/leute/herne-ist-die-mitte-des-ruhrgebiets-d158379.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Bochum-Gelsenkirchener_Stra%C3%9Fenbahnen_AG

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen